Das Grab ist wie ein Angebot, ggf. mit einer gewissen Verpflichtung zur Pflege, die von Friedhof eingefordert wird. Die Pflege und Gestaltung einer Grabstelle kann ein hilfreicher Weg sein mit der eingetretenen neuen Lebenssituation sich auseinander zu setzen, Andenken zu formen, ihm einen begrenzten Raum im Leben zu geben. Früher bestand auf den Friedhöfen eine starke soziale Kontrolle wo jeder Grabbesuch und jede neue Blume auf dem Grab beobachtet wurde. Dies entfällt heute in der Großstadt Berlin fast vollständig. Je nach Grabgröße und Art der Friedhofsabteilung, gibt es sehr individuelle Möglichkeiten zur Gestaltung. Es muss nicht immer der aufrecht stehende Stein mit Inschrift sein. Es gibt auch ganz andere Grabmale. Michael Spengler, ein Berliner Künstler, nennt seine „Grabsteine“ Denkwerke. Falls es nicht schon ein Familiengrab war in dem jetzt neu beigesetzt wurde, gibt es jetzt einen neuen Ort im Leben der An- und Zugehörigen. Es wird sich im Laufe der Zeit herausstellen, wer wie oft den Wunsch hat zu diesem Grab zu kommen und wie sich dieses Bedürfnis vielleicht auch im Laufe der Monate und Jahre ändert. Es ist ein Ort im Außen, wo Sie sichtbar etwas kreativ gestalten können, der vielleicht zu einem Spiegel werden kann, wie Sie lernen mit der neuen Lebenssituation einen Weg zu finden, einen Modus vivendi zu etablieren, der Ihrer jeweiligen Situation entspricht. Insbesondere Eltern, die ihr Kind beerdigt haben, können sich nicht vorstellen, dass sie das Grab ihres Kindes je aufgeben werden und dass sie vielleicht nur noch einmal im Jahr zum Grab kommen werden. In 20 Jahren (Mindestruhezeit) geschieht so viel. Neue Kinder werden geboren, Eltern sterben, neue Beziehungen, neue Arbeitsstellen. Schon nach einem oder zwei Jahren hat sich bei den meisten dieser Eltern doch eine ganz andere Beziehung zu dieser Grabstelle herausgebildet – was sie sich nie hatten vorstellen können im Schmerz der direkten Betroffenheit.