Gedanken zum Leben - Letzte Worte
Warum lasse ich Andere das letzte Wort über mich sprechen und die Bilanz meines Lebens ziehen? Oft habe ich darüber nachgedacht, meine Abschiedsrede zu schreiben, aber es immer verschoben. (…)
Habe ich richtig gelebt? Habe ich alles getan und bewegt, was mir wichtig ist? Habe ich gesagt und gehört, was für andere wichtig ist? War ich wahrhaftig oder habe ich es mir zu oft bequem und einfach gemacht? Habe ich den Mut gefunden, meinen Träumen und Zielen zu folgen und zu mir zu stehen? Oder habe ich mich davon mitreißen lassen, was mein Umfeld von mir erwartet?
Dieses Nachdenken bringt einige unangenehme Antworten zu Tage, denn jeder von uns macht Fehler und ist nicht immer ein Held. Die Bilanz am Ende des Lebens zu ziehen ist bitter, denn es gibt keine Korrektur mehr – wir sollten also immer wieder innehalten und bedenken, ob das Leben, wie es gerade ist, stimmt, ob ich glücklich bin, ob ich andere glücklich mache und ob ich einen Beitrag für alle leiste.
Rückblickend auf mein Leben habe ich verstanden, dass der Versuch mehr als der Erfolg zählt, dass der Weg wichtiger als das Ziel ist, dass die Liebe mehr als der Sieg bewirkt. Ich habe gespürt, dass Wachstum schmerzt und doch zufrieden stellt, dass tiefe Gefühle zur Erfüllung führen und das Lachen bei den Tränen wohnt. Ich habe es mir öfter schwer als leicht gemacht, habe oft nicht gewagt zu tun, was mein Herz mir sagte. Und doch bin ich zufrieden mit dem Weg, den ich zurückgelegt habe. Beim Durchwaten der Tiefen habe ich das Höhere gefunden und ich konnte mich mit den Kräften der Natur verbünden. Dafür bin ich dankbar, ja, in den besten Momenten bin ich voller Demut. Das Leben bietet reiche Auswahl und ich wünsche denen, die mir zuhören, dass sie von allem kosten: von der Freude, vom Leid, von der Wonne, vom Glück und vom Schmerz. Denn die Vielfalt und die Mischung, das ist Leben. Lebt aus der Fülle und nutzt die Zeit!
So ungefähr würde ich auf meiner Bestattung reden, und wenn die letzten Worte gesagt sind, dann wünsche ich mir Musik.
Aus: Besser Leben mit dem Tod, Susanne Jung, Klett Cotta 2012
Gedanken zum Tode - Der verdrängte Tod
Nur unser kollektives Einverständnis, mit dem wir den Bereich zwischen Tod und Bestattung ausblenden, wofür die tiefe Ursache in der systematisierten Verdrängung unserer eigenen Sterblichkeit liegt, macht es möglich, dass vor unseren Toten, wo sie nicht ganz ignoriert werden, keinerlei Achtung mehr besteht. (S. 100)
Nichts ist gewiss in unserem Leben. Nur, dass wir sterben werden. Der Tod kommt für jeden, zu jedem von uns. Er ist das zweite Tor in unserem Leben. Bereiten wir uns vor, auf das, was kommen wird. Es ist sehr persönlich – und deshalb müssen unsere Gedanken dazu es auch sein. Wir brauchen den Tod, um wissende Menschen zu werden (S. 241)
Aus: Gabriele Faerber, Der verdrängte Tod, Ariston Verlag 1995